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AutorenbildJulia Pilz

Reizdarm 2.0 - Fragen und Antworten

Viele Menschen leiden an Bauchbeschwerden, seien es Blähungen oder Krämpfe.

Nach Ausschluss organischer Erkrankungen blieb dann in der jahrelang häufig die Diagnose Reizdarm, unter welcher wir Ärzte alles zusammenfassten was nicht als eigentliche, beweisbare Erkrankung darstellbar war: post-infektiös, funktionell, durch Stress alteriert, Reizdarm-Persönlichkeit.


Während der letzten Jahre haben sich auf dem Gebiet der Forschung und der daraus gewonnen Erkenntnisse bezüglich Darmbeschwerden Meilensteine verändert.

Für die Mehrheit der Resultate stehen noch nicht genügend wissenschaftliche Belege zur Verfügung aber die Zukunft verspricht Aussichtsreiches.

1. Intestinales Mikrobiom

Der Dickdarm (Kolon) ist besiedelt von 2 kg (Trillionen und mehr) Bakterien und Pilzen. Diese verstoffwechseln die aufgenommene Nahrung und erzeugen so Gase, Abbauprodukte aber zum Beispiel auch zusätzliche Energie (bis zu 10% mehr Energiesubstrat). Die Zusammensetzung der Darmbakterien ist unterschiedlich je nach Herkunft der Menschen. Die Anzahl der Bakterien kann aus dem Gleichgewicht geraten, je nach stattgehabten Therapien (z. B. Antibiotikatherapie), Ernährung und anderen Faktoren. Ein solches Ungleichgewicht (Dysbalance) kann zu einem Vorherrschen von Bakterien führen welche bestimmte störende Gase produzieren, kann eine erhöhte Pilzbesiedlung hervorrufen oder Krämpfe durch eine Störung der Schleimschicht des Dickdarmes.


- Muss eine solche Dysbalance immer symptomatisch sein?

In den meisten Fällen ist sie es wohl nicht und es braucht auch keine vorbeugende Analyse. Sobald aber ein Mensch ungeklärte Magen-Darm-Symptome aufweist welche, falls notwendig, mit den gängigen Untersuchungen abgeklärt wurden und keine therapierbare Ursache ergaben kann eine weitere Analyse erwogen werden.


- Wie erfolgt die Untersuchung?

In aller Regel mittels einer Stuhlprobe und 16- ribosomaler Analyse (Kosten CHF 100). Es können auch Gensequenzierungen durchgeführt werden (Kosten um CHF 2000). Zudem erfolgte eine Untersuchung der schützenden Schleimschicht des Dickdarms. Die Darmschleimhaut weist eine aus Lecithin, Schleim und löslichen Antikörper bestehende Schutzschicht auf welche

verhindert, dass die Mikroorganismen in unser Blutsystem eindringen und dort Infektionen / eine Blutvergiftung hervorrufen. Die Intaktheit dieser ist immens wichtig um zu verhindern, dass die zahlreichen Mikroorganismen im Darm lokale Reaktionen in der Darmwand hervorrufen («leaky gut»).


- Sind die Untersuchungen wissenschaftlich anerkannt?

Die Erkenntnisse über die Darmbakterien sind noch relativ neu und die Vergleichsgruppen für die Bakterienzahlen stammen aus zwei Genomprojekten in den USA und in Europa (Paris, Frankreich). Es gibt keine Vergleichszahlen für die Schweiz.


- Was gibt es für eine Therapie im Falle, dass eine Dysbalance nachgewiesen wird?

Die zu wenig vorhandenen Bakterien werden in Form von Präparaten eingenommen. Falls die schützende Schleimschicht des Dickdarms zusätzlich beeinträchtigt ist, wird diese mit Aminosäuren und Lecithin aufgebaut. Falls eine überschiessende Besiedlung mit Pilzen vorliegt kann diese ebenfalls therapiert werden.


- Wie lange geht diese Therapie?

Mindestens 3 Monate, besser noch 6 Monate. Generell kann eine Florasubstitution selbst auch Blähungen und Unwohlsein leichten Grades hervorrufen. Pausen in der Therapie sind dann sinnvoll.


- Muss der Therapieerfolg nochmals mit einer Analyse bestätigt werden?

Wir empfehlen dies aufgrund der oben erwähnten Lage der wissenschaftlichen Literatur nicht.


- Welche Kosten entstehen?

Die Stuhlanalyse bei dem deutsche Labor Biovis kostet ca. CHF 100, wobei diese nicht durch die Krankenkassen übernommen werden. Die Substitution wird teilweise ebenfalls nicht durch die Krankenkassen übernommen. Insgesamt belaufen sich die Kosten welche selbst zu zahlen sind auf maximal CHF 400.-


- Hängt ein solches Ungleichgewicht mit chronischen Erkrankungen zusammen?

Wir wissen heute dass sich die Darmflora von Patienten mit Autoimmunerkrankungen, wie z. B. mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, wesentlich unterscheidet von derjenigen Flora eines nicht-erkrankten Menschen. Die Daten sind aber noch zu neu. Weitere Forschung ist notwendig um zu eruieren was für eine Therapie sinnvoll ist. Das Gleiche gilt grösstenteils auch für die Stuhltransplantation.


2. Histamin-Unverträglichkeit

Eine Histamin-Unverträglichkeit kann diverse Beschwerden im Bauch auslösen, aber auch andere Symptome wie z. B. Hauterscheinungen und Allgemeinsymptomatik (Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten etc.). Histamin wird einerseits im Körper selbst produziert (körpereigener Botenstoff) und andrerseits mit der Nahrung zugeführt. Daher ist die Diagnose einer Histamin-Unverträglichkeit mittels Blutanalyse selten zielführend. Das Führen eines Nahrungsprotokolles resp. das ärztliche/ therapeutische Gespräch sind meist sinnvoller.

Weitere Infos zum Thema Ernährungsberatung finden Sie hier:


3. Bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms

- Die Keimzahl im Dünndarm ist naturgemäss reduziert. Unter anderem durch abdominale Operationen (u.a. Darmoperationen), Autoimmun- oder Stoffwechselerkrankungen kann der Dünndarm von Bakterien überbewuchert werden. Durch deren Gasproduktion können dann Krämpfe, Unwohlsein und ein geblähter Bauch entstehen. Die Analyse kann mittels Atemtesten erfolgen, die Therapie mit Diät (Substratentzug, FODMAP) pflanzlichen Antibiotika und nur im Darm wirksamen Antibiotika.





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